"Der Mann, an den du denkst,hat sich verirrt. Das ist zumindest mein Eindruck. Er glaubt, dass er sich mitten in einem undurchdringlichen Wald verirrt hat. Sein Kopf ist voller Bäume. Er prallt gegen Äste. Er verfängt sich in Dornen. Er folgt Pfaden, die nirgendwohin führen. Er trifft auf Tiere, die ihn verhöhnen und weglaufen. Hier und da erblickt er eine flüchtige Jungfrau in einem weißen Batistkleid. Da sind auch ein paar Insekten, die von der stechenden Art. Das ist nicht angenehm. Die Sonne sinkt. Die Schatten werden tiefer. Es könnte kaum schlimmer sein.
Da tauchst du auf. Wie kommst du ins Spiel ? Du konntest noch nie einer Gelegenheit widerstehen, jedenfalls nicht der Sorte Gelegenheit, die er darstellt. Es gibt Leute die so etwas Einmischung nennen würden, aber du siehst es eher als Hilfsbereitschaft. Entschuldige, dass ich so offen bin,aber ich bin nur der Bote. Da kommst du also, du steigst in unserer rosa Wolke vom Himmel herab, glimmend wie eine schwache Glühbirne oder wie ein Aquarium in eienr plüschigen Bar. Federn wachsen dir aus den Schultern, Lichtstrahlen schießen aus dir heraus,silberne und goldene Konfetti rieseln von dir herab wie metallische Schuppen. Du denkst gar nicht daran, dass dein Kleid von lauter kleinen Angelhaken bedeckt ist. An einigen von ihnen hängen noch Köderreste:
Grillenflügel, Wurmtorsi, alte Kontoauszüge.
Nun,nun, sagst du. Ein Zucken hier, ein Wink mit deinem Zauberstab- er steckt in einer durchsichtigen Plastikhülle mit einer funkelnden Flüssigkeit, in der ein kleines Auto herauf- und heruntergleitet, wenn der Stab geschüttelt wird-, und die Dornen verschwinden. Die Sonen kehrt auf ihrem Weg um, die Pfade begradigen sich, der Tag bricht an.
Voilà!; sagst du. Deine Schulden sind bezahlt, deine emotionalen Probleme gelöst, deine Krankheiten geheilt. Mehr noch, deine Kindheitskümemrnisse- die dich gehemmt und immer wieder heruntergezogen haben-,sie sind ausgelöscht. Jetzt kannst du loslegen.
Er sieht dich ohne eine Spur von Dankbarkeit an. Womit soll ich denn loslegen?, sagt er.
Das weißt du nicht?, fragst du mit einer Gereiztheit, die du zu verbergen suchst. Ich bin in diesen blöden Wald runtergestiegen, hab große Mühen auf mich genommen, hab für dich deinen ganzen Lebensmüll weggeräumt, und du weißt es immer noch nicht ?
Dir ist wohl einiges nicht klar?, sagt er. Warum glaubst du, habe ichmich überhaupt erst in dem undurchdringlichen Wald verirrt ? "
("Der undurchdringliche Wald" aus Margaret Atwood - Das Zelt)
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