Mittwoch, 22. März 2017

ausgelesen: Rainer Maria Rilke - Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

endlich, endlich habe ich es ausgelesen. Ich muss sagen: Rilke und ich, wir sind keine Freunde geworden, zumindest nicht durch diesen Roman.

erschienen ist das Buch, das in Tagebuchform verfasst ist, im Jahre 1910 und angeblich (laut Klappentext) hat es das Paris-Bild von Generationen geprägt.

lesen wollte ich es, weil ich einst im Deutsch Leistungskurs auf dem Gymnasium einen Auszug analysieren sollte (ich glaube sogar innerhalb einer Klausur) und fand es damals sehr unverständlich und metaphorisch und ehrlich gesagt: mein Gedanke, ich könne es jetzt, mehr als 10 Jahre später, besser begreifen worum es überhaupt geht, ging leider nicht auf.

es handelt von dem dänischen Adligen Malte Laurids Brigge, der nach Paris kommt, um zu schreiben bzw. Dichter zu werden, doch irgendwie werden immer wieder Kindheitserinnerungen eingeschoben, Erinnerungen an Geistbegegnungen und Begnungen mit einer Frau namens Abelone, die vielleicht auch nur ein Geist war?

zwischendurch habe ich einige Passagen verstehen können, diese ergaben dann Sinn, doch scheint alles irgendwie unzusammenhängend und ohne Sinn zusammengeschrieben, Bruchstücke, die sich nicht zu einem Gesamtkonzept zusammenfügen..oder ich bin schlicht und einfach nicht intelektuell genug, um das ganze zu durchblicken.

ich bin froh, es dennoch zuende gelesen zu haben, denn zum Schluss gibt es einige Passagen, die mich persönlich in meiner derzeitigen Lebenssituation ansprechen, fast schon schicksalhaft berühreren:

Der Tau ist ein anderer, aber die Sterne sind noch die Sterne deiner Nächte. Oder ist nicht die Welt überhaupt von dir? denn wie oft hast du sie in Brand gesteckt mit deiner Liebe und hast sie lodern sehen und aufbrennen und hast sie heimlich durch eine andere ersetzt, wenn alle schliefen. Du fühltest dich so recht im Einklang mit Gott, wenn du jeden Morgen eine neue Erde von ihm verlangtest, damit doch alle drankämen, die er gemacht hatte. Es kam dir armsälig vor, sie zu schonen und auszubessern, du verbrauchtest sie und hieltest die Hände hin um immer noch Welt. Denn deine Liebe war allem gewachsen.

Diese Liebende ward ihm auferlegt, und er hat sie nicht bestanden. Was heißt es, daß er nicht hat erwidern können? Solche Liebe bedarf keiner Erwiderung, sie hat Lockruf und Antwort in sich; sie erhört sich selbst.

Das Schicksal liebt es, Muster und Figuren zu erfinden. Seine Schwierigkeit beruht im Komplizierten. Das Leben selbst aber ist schwer aus Einfachheit. Es hat nur ein paar Dinge von uns nicht angemessener Größe. Der Heilige, indem er das Schicksal ablehnt, wählt diese, Gott gegenüber. Daß aber die Frau, ihrer Natur nach, in Bezug auf den Mann die gleiche Wahl treffen muß, ruft das Verhängnis aller Liebesbeziehungen herauf: entschlossen und schicksalslos, wie eine Ewige, steht sie neben ihm, der sich verwandelt. Immer übertrifft die Liebende den Geliebten, weil das Leben größer ist als das Schicksal. Ihre Hingabe will unermeßlich sein: dies ist ihr Glück. Das namenlose Leid ihrer Liebe aber ist immer dieses gewesen: daß von ihr verlangt wird, diese Hingabe zu beschränken.
[...]wo von dem Herzen die Rede war, das dreizehn Jahre lang wie ein Kolben über dem Schmerzfeuer nur dazu gedient hatte, das Wasser der Bitternis für die Augen zu destillieren;


Er kennt auf einmal dieses entschlossene Herz, das bereit war, die ganze Liebe zu leisten bis ans Ende. Es wundert ihn nicht, daß man es verkannte; daß man in dieser überaus künftigen Liebenden nur das Übermaß sah, nicht die neue Maßeinheit von Liebe und Herzleid. Daß man die Inschrift ihres Daseins auslegte wie sie damals gerade glaubhaft war, daß man ihr endlich den Tod derjenigen zuschrieb, die der Gott einzeln anreizt, aus sich hinauszulieben ohne Erwiderung. Vielleicht waren selbst unter den von ihr gebildeten Freundinnen solche, die es nicht begriffen: daß sie auf der Höhe ihres Handelns nicht um einen klagte, der ihre Umarmung offen ließ, sondern um den nicht mehr Möglichen, der ihrer Liebe gewachsen war.
Geliebtsein heißt aufbrennen. Lieben ist: Leuchten mit unerschöpflichem Öle. Geliebtwerden ist vergehen, Lieben ist dauern.

Nein, er wird fortgehen. [...] Fortgehen für immer. Viel später erst wird ihm klar werden, wie sehr er sich damals vornahm, niemals zu lieben, um keinen in die entsetzliche Lage zu bringen, geliebt zu sein. Jahre hernach fällt es ihm ein und, wie andere Vorsätze, so ist auch dieser unmöglich gewesen. Denn er hat geliebt und wieder geliebt in seiner Einsamkeit; jedesmal mit Verschwendung seiner ganzen Natur und unter unsäglicher Angst um die Freiheit des andern. Langsam hat er gelernt, den geliebten Gegenstand mit den Strahlen seines Gefühls zu durchscheinen, statt ihn darin zu verzehren. Und er war verwöhnt von dem Entzücken, durch die immer transparentere Gestalt der Geliebten die Weiten zu erkennen, die sie seinem unendlichen Besitzenwollen auftat.
Wie konnte er dann nächtelang weinen vor Sehnsucht, selbst so durchleuchtet zu sein. Aber eine Geliebte, die nachgiebt, ist noch lang keine Liebende. [...] Denn er hatte die Hoffnung nicht mehr, die Liebende zu erleben, die ihn durchbrach.

Denn über ihn, der sich für immer hatte verhalten wollen, kam noch einmal das anwachsende Nichtanderskönnen seines Herzens. Und diesmal hoffte er auf Erhörung. Sein ganzes, im langen Alleinsein ahnend und unbeirrbar gewordenes Wesen versprach ihm, daß jener, den er jetzt meinte, zu lieben verstünde mit durchdringender, strahlender Liebe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Erstellen eines Kommentars akzeptierst du die Datenschutzerklärung dieses Blogs. Info: Dieser Blog speichert Name, Kommentar sowie Zeitstempel des Kommentars und ggfs. E-Mail sowie Website. Kommentare können jederzeit widerrufen werden – Informationen findest du in der Datenschutzerklärung